2. Mai 2011

Jacobs Open 2011

Auf den Jacobs Open 2011 in Bremen vom 29. April - 1. Mai war der Debattierclub Stuttgart sowohl unter den Debattierern als auch unter den Juroren vertreten: Andreas Lazar jurierte bis ins Halbfinale, und Tom Hebel trat zusammen mit Anne-Sophie Lockner vom Debattierclub Mannheim als die "Mannheim-Stuttgart Connection" an. Das Turnier wurde im British Parliamentary (BP)-Format gehalten und bestand aus fünf Vorrunden mit Reden à sieben Minuten, die am Freitagabend und am Samstag stattfanden, sowie einem Halbfinale und einem Finale am Sonntag.

Die Anreise nach Bremen ging glatt über die Bühne, so dass wir ca. zwei Stunden vor Check-In ankamen. Der Campus der Jacobs University Bremen (JUB) ist zwar klein, aber sehr grün und gepflegt. Er befindet sich in einem idyllischen Einfamilienhausviertel Bremens, so dass man auch abends die Ruhe genießen konnte. Auf dem Gelände befindet sich unter anderem eine "ausgemusterte" Kapelle, die als interreligiöses Gebetshaus fungiert – kein Wunder, denn es handelt sich um eine internationale Privatuniversität, auf der genau 102 Länder und damit auch viele Religionen vertreten sind.

Was mir sehr gut an der Uni gefallen hat, war die Kultur. Sie ist durchdrungen von Internationalität und Toleranz, so dass man sich sofort willkommen fühlte. Ich selbst übernachtete bei einem Studenten aus Indien, der mir sogar sein eigenes Bett anbot, während er auf der Couch schlief. Des weiteren sind die Türen zum Flur eines jeden Zimmerpaars bedeckt mit Fotos, Texten und sogar Gemälden der talentierten Studenten, sodass jeder Bewohner seinen persönlichen Touch hinterläßt. Ich habe später von einer kenianischen Studentin erfahren, dass es am Anfang jedes Studienjahres einen großen "Dekorationstag" gibt, an dem alle Studenten ihr Wohnheim schmücken. Dass diese Art von Individualität von der Uni gefördert wird, zeugt von einem Maß an Respekt für den Menschen, der an einer Massenuniversität einfach nicht gegeben ist (an der JUB studieren etwa 2000 junge Menschen). Es war auch denkbar einfach, neue Freundschaften zu knüpfen, und sehr erfrischend, sich mit Leuten auszutauschen, die kein 08/15-Leben anstreben.

Die Teilnehmer des Jacobs Open 2011 genießen die Sonne und warten auf die nächste Runde
Nachdem die Schlafplätze am Freitagnachmittag eingerichtet waren, begann alsbald die erste Runde zum Thema "This house would abolish monarchies". Die weiteren Runden fanden am Samstag statt, zu den folgenden Themen: "This house believes that professional sportspeople have a moral obligation to publicly come out", "This house believes that all schools in states of the former Yugoslavia should use the same history books", "This house would provide long-term addicts with free drugs and the facilities to use them" und schließlich "This house believes the UN Security Council should hand over Laurent Gbagbo to the International Criminal Court for indictment". Die "Mannheim-Stuttgart Connection" landete auf Platz 28 von 36 Teams, mit Anne-Sophie auf Platz 71 und Tom auf Platz 38 von 72 Rednern. Ins Finale kamen vier Teams aus den Niederlanden, und es gewann "Stop trying to make 'fetch' happen" aus Leiden. Die Motions des Halbfinales und des Finales lauteten jeweils "This house would grant persons with an 'aggression gene' an automatic sentence reduction" und "This house would promote atheism". Bester Redner wurde Daniël Springer von "Erasmus A" mit 400 Rednerpunkten.

Wir genossen das für Bremen ungewöhnlich schöne Wetter, indem wir uns während der Pausen in der Sonne aalten. Auf dem Campus befindet sich ein kleiner See, der vom Absolventenjahrgang 2006 designt wurde, an dem sich die Debattierer nach intensiven Reden ausruhten. Das Essen in der Mensa war ebenso überraschend schmackhaft, insbesondere der Brunch am Sonntagmorgen, bei dem wir uns mit frisch gebratenem Fisch, Rührei und selbstgemachten heißen Sandwiches delektierten. Am Samstagabend fand die "Havanna Black Tie Night" statt, für die sich jedoch lediglich etwa fünf Debattierer schick gemacht hatten, darunter unser eigener Andreas mit Krawatte und schwarzem Anzug unter einer Schar von T-Shirt-Trägern. Nichtsdestotrotz war es ein angenehmer Abend, an dem wir uns trotz eher mittelmäßigem Musikangebots die Füße wundtanzten. Der gute Abend schlug sich auch in der geringen Anwesenheit im Halbfinale am folgenden Morgen nieder. Das Finale fand um 13 Uhr statt und wurde somit zahlreicher besucht.

Der schöne Frühling lenkte etwas von den Debatten ab
Vor dem Finale durften wir einer Rede des Rektors der Uni sowie einem Vortrag eines Rhetorik-Experten beiwohnen. Neben einer Parabel zum Talmud fanden sich auch viele nützliche Tipps, wie man während einer Rede seine Zuhörer fesselt, von Struktur über Inhalt bis zum Redestil. Nach dem Finale genossen diejenigen von uns, die nicht am Steuer sitzen mussten, noch ein Gläschen Sekt, bevor wir unsere Siebensachen packten und nach Hause fuhren.

Es war eine lehrreiche Erfahrung, sowohl für meine Partnerin Anne-Sophie, die zum ersten Mal auf englisch debattierte, als auch für mich selbst, denn ich konnte durch das kompetente Feedback der Juroren meinen Redestil konsekutiv verbessern. Im BP-Format gilt es vor allem, eine möglichst relevante und tiefgreifende Analyse zu präsentieren. Dafür ist ein breites Allgemeinwissen von Vorteil, sowie die Fähigkeit, die Prinzipien einer Debatte zu erfassen und sie entsprechend der Rolle des eigenen Teams sowie der Rolle im Team überzeugend zu präsentieren.

Ein Lob an dieser Stelle an das Orga-Team um Natasha Ovchar, Elena Isac und Frank Richter, das eine klasse Atmosphäre schuf und sich vor keiner Mühe scheute, um allen Beteiligten eine angenehme Zeit zu bieten. Bis zum nächsten Mal!

Text: Tom Hebel